Erinnerungen an Morgen – Soirée Fictionelle
Teaser für die Einreichung FOTO WIEN 2025
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A: Ein sanfter Traum, der zum Filmriss wird..
B: Wohin gehst du wenn du schläfst?
A: Keine Ahnung, woanders hin als hier.
C: Nach übermorgen, gestern, hinter vier Torbögen und acht Fenster, die alle nicht mehr da sind, wenn man sich umdreht. Räume, die keine Türen brauchen, weil sie Anfänge und Enden nicht kennen.
A: Seit mein Arm so steif ist. Jedes Mal, wenn ich ihn anschaue, klemmt er anders. Aber darüber denke ich lieber nicht nach. Wenn ich nicht hinsehe, existiert er sowieso nicht.
A: Und nun haben wir keine Schwerkraft mehr,
B: die uns alle zum Kern der Sache zieht.
C: Wir streben entropisch gen die kosmische Strahlung. Nahtlos, Fadenlos, Bodenlos, Farblos?, Gottlos.
B: Siehst du den dünnen Farbstreifen am Horizont. Was wäre, wenn er nie wächst und die Sonne stets im Inbegriff bleibt, aufzugehen, aber sich nie über den eigenen Schatten zu springen traut?
Das Lagerfeuer in deiner Tasche zieht Dunstkreise aus Eidotter, Mehl und Lavendelblüten, die uns einhüllen in blassschwarze Lichterketten.
C: Diese Horizontlinie, die nicht wachsen möchte. schmückt das Meer wie ein Blumenstrauß.
B: (geflüstert) Weißt du noch, als morgen Lichte war, und die Hoffnung auf zu Hause schmeckkbar auf der Zunge lag?
A: Jetzt kribbelt es nur, wie Statik. Statik, die auf allen Frequenzen ungerichtet ins nichts ausschlägt, in der Hoffnung, wo Spannung zu erzeugen. Ich spreche und
C (überlagert): Ich spreche und die Statik fließt aus meinem Mund, immer lauter werdend, bis man nichts mehr hört. (Übergang in statisches Rauschen)
C: Licht wird dunkel wird Hell wird Schwindel und Rumor, Blendung,
A: Sperre steiler Hang und Sturz nach unten, der mich klatschnass in meinem Bett aufschrecken lässt.
Ein Albtraum, der zum Filmriss wird, bis mich die Sonne wieder wach schlägt.
B: Hast du schlecht geträumt?
A: Ja.
Ich muss mich kurz rearrangieren, die Bilder tauschen, kleiner und größer machen, eins hinauf und das andere darunter.
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(off) Die Sonne taumelt hoch an den Himmel und die beiden sind geblendet. Aber sie macht einen Bauchklatscher und rutscht wie eine totes Insekt auf einer Windschutzscheibe wieder zurück unter die Wasserlinie, bis sie im Dunkeln sitzen.
B: Vor eintausendsiebenhundertdreiundsechzig Jahren bewegte sich ein Photon auf mich zu.
Es sollte mich nicht erreichen.
Der Bildermacher positionierte seine Linse direkt in der Achse zwischen dem Photon und mir. Und als er den Auslöser betätigte, war das Photon eingefangen. Und im Eingefangenwerden hörte es auf, zu existieren.
A: Weißt du noch, als morgen Lichte war, und die Hoffnung auf zu Hause schmeckkbar auf der Zunge lag?
B: Ungeduldig am Fenster hätte ich gewartet, bis sich der Sonnenstrahl, der noch heller, noch weißer, noch kälter und damit heißer war, am Rahmen vorbei durch die Giebeldächer der Nachbarschaft gebrochen durch das dicke Glas in mein Gesicht geschoben hätte.
A: Woher hättest du die Gewissheit, dass es dein Photon ist?
Nicht einmal Messgeräte erfassen es in seiner Gänze.
B: (achselzuckend, dann grinsend) Ich hätte es einfach gewusst.
Es klopft aus dem Kasten und ein Lichtstrahl spukt heraus.
A: Was ist das?
B: Das ist mein Hausgeist
G: “Sorry, wollte nicht stören, wollte nur spähen.” Er fokussiert sich über den Teppichboden auf ein Glas Milch auf der Theke (*glug glug glug* Geräusche) und verschwindet wieder im Kasten.
B: “Der nervt.”
A: (Decke über den Kopf ziehend) “Ja.”
B: “Erinnerst du dich noch an Deinen Traum?”
A: Nein.
B: “Wir können uns den nächsten teilen, ich fange an. Aber lass mir diesmal mehr Decke übrig, sonst falle ich in den Abgrund links.”
Black.
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Eine Diashow/Powerpoint setzt ein.
(off) Univ.-Prof. Dr. Dr. Markus Epictetus Steinacker, geboren 2805 in Eroica (ehemals Deutschlandsberg) in der Steiermark. Einer der letzten Universalgelehrten. Urvater der Archäomythopoesis. Er war es, der die Artefakte des Goldenen Fotografischen Zeitalters in einer neuen Taxonomie ordnete, die für uns, hunderte Jahre später, zur disziplinarischen Grundlage werden sollte. Vor ihm betrachteten Forscher die Bilder als Abbilder. So war es – für fast genau eintausend Jahre!
M: Erst ICH wagte den Schritt ins Ungewisse, und trat schließlich, im Jahre 2861, Heureka-jauchzend siegreich aus dem Ungewissen hervor. Nicht der Inhalt sollte künftig die Bilder bestimmen, sondern der Verweis auf alles, was nicht abgebildet wurde. Die Fotografie ist die Lücke, und alles vor und nach dem Bild ist wahr.
(off) Markus war auch schwerer Alkoholiker.
Eine Stagehand weist Markus an, sich wieder hinzusetzen, und drückt ihm eine Weinflasche in die Hand, die er widerwillig annimmt und daraus trinkt.
Im Zuge einer schließlich dringend notwendigen bionischen Lebertransplantation entwickelte er später eine Abhängigkeit von Immunsuppressiva.
Im 29. Jahrhundert war es beliebt, diese mit Opiaten zu vermischen. Bionik war noch nicht so weit fortgeschritten – die meisten Patienten litten unter chronischen Schmerzen.

